Verdauungsbeschwerden und Darmerkrankungen
Bei rund einem Viertel der Bundesbürger funktioniert zumindest hin und wieder die Verdauung nicht richtig. Verstopfung oder Durchfall können ernsthafte Erkrankungen anzeigen. Oft sind sie aber auch eine Folge von psychischen Problemen und Stress. Doch wie stellt man den Unterschied fest?
Das Reizdarmsyndrom ist eine der häufigsten Diagnosen bei Verdauungsproblemen und für die Betroffenen eine zwiespältige Nachricht. Bislang ging man davon aus, dass keine organische Erkrankung vorliegt, also keine Entzündung oder gar ein Geschwür. Trotzdem beeinträchtigen Durchfall und Krämpfe das Leben. Der Arzt kann bislang diese Symptome nur lindern, aber nicht heilen. Erst vor wenigen Wochen entdeckten Humanbiologen der Technischen Universität München, dass für den Reizdarm vermutlich Mini-Entzündungen in der Darmschleimhaut verantwortlich sind: Diese machen das Darmnervensystem überempfindlich und lösen die Beschwerden aus.
Oft aber spielt die Psyche eine wichtige Rolle, wenn der Darm nicht richtig funktioniert. Viele Redewendungen legen diesen Zusammenhang nahe: Schlechte Nachrichten, die man erst verdauen muss, oder Ärger, den man in sich hineinfrisst. Aber auch die Schmetterlinge im Bauch von Verliebten zählen dazu.
All das hat einen konkreten anatomischen Hintergrund: Die Bewegungen von Magen und Darm steuert ein eigenes Nervensystem mit rund 100 Millionen Nervenzellen, unabhängig von Gehirn und Rückenmark. Die Zelltypen, Wirkstoffe und Rezeptoren dieses Nervengeflechts sind identisch mit denen des Kopfhirns. Experten sprechen aus diesem Grund vom Bauchhirn oder Darmhirn und gehen davon aus, dass es sogar Erinnerungen speichern kann. Dieses Darmhirn ist gemeint, wenn wir Entscheidungen „aus dem Bauch heraus fällen".
Tatsächlich geht es in unserem Darmhirn nicht unbedingt logisch und nachdenklich zu. Durch eine Art Standleitung ist es mit dem limbischen System verbunden. Das ist der Bereich des Kopfhirns, der für Emotionen zuständig ist. Wenn das Kopfhirn „ich bin im Stress" an das Darmhirn funkt, bekommt das die Verdauung also sofort zu spüren. Wie sich das äußert, ist individuell unterschiedlich.
Volkskrankheit Verstopfung
Dass emotionaler Stress bei Verdauungsproblemen ein ganz wichtiger Faktor ist. An erster Stelle steht jedoch die Ernährung. Bei vielen Menschen sieht der Speiseplan ganz anders aus, als sich das Magen, Darm und die dafür zuständigen Fachärzte, die Gastroenterologen, wünschen. Zu viel Fett, zu viel Zucker, zu viel Kaffee und Alkohol, dafür zu wenig Obst, Gemüse und Ballaststoffe. Volkskrankheiten wie Verstopfung oder Sodbrennen lassen sich eigentlich in sehr vielen Fällen mit einer konsequenten Ernährungsumstellung heilen. Stattdessen schlucken die Meinsten Pillen. Die Erkrankungen der Verdauungsorgane liegen bei den Arzneimittelverordnungen der Mediziner an dritter Stelle.
Dabei geht nur jeder Fünfte, der an Verdauungsbeschwerden leidet, damit auch zum Arzt. Die meisten Betroffenen versuchen erst einmal, mit frei verkäuflichen Arzneimitteln Sodbrennen, Durchfall oder Verstopfung zu behandeln. Nach Angaben der Pharma-Marktforscher von IMS Health in Frankfurt kauften die Deutschen 2009 allein in den Apotheken rund 25 Millionen Packungen Abführmittel, 15 Millionen Packungen Durchfallmittel und 13 Millionen Produkte mit Wirkstoffen gegen Sodbrennen.
Die Selbsthilfe ist bei kurzfristigen Verdauungsbeschwerden auch sinnvoll. Die sind nicht bedenklich, so lange sie nur selten auftreten und einen konkreten Anlass haben, zum Beispiel ein allzu opulentes Festessen oder einen Streit, der einem auf den Magen schlägt. Unruhe kommt dann auf, wenn die Beschwerden regelmäßig auftauchen, länger anhalten oder intensiver werden. Vielleicht doch etwas Ernstes? Das Heimtückische an so manchen gefährlichen Darm-Krankheiten ist, dass sie sich erst gar nicht äußern und danach mit unbestimmten Symptomen, die auch völlig harmlos sein könnten. Das Wechselspiel zwischen Durchfall und Verstopfung kann beispielsweise ein Hinweis auf einen Tumor im Dickdarm sein.
Deshalb empfiehlt es sich, bei häufigen oder wiederkehrenden Verdauungsbeschwerden den Arzt auch dann aufzusuchen, wenn die Symptome den Alltag nicht groß behindern. Das gilt vor allem für ältere Menschen, weil bei ihnen die Wahrscheinlichkeit für ein Geschwür oder einen Tumor höher ist. Die Gewissheit, dass nichts Ernstes vorliegt, wiegt die Unannehmlichkeit einer Darmspiegelung bei Weitem auf und beruhigt womöglich auch eine aufgeregte Verdauung. Trotz aller Appelle in Sachen Vorsorge und Früherkennung gehen die meisten Menschen erst dann zum Arzt, wenn die Verdauungsprobleme ihr Leben ernsthaft beeinträchtigen
Gerade bei organischen Krankheiten lässt sich oft Abhilfe schaffen. Einen entzündeten Blinddarm entfernt der Arzt, blutende Hämorrhoiden ebenfalls. Ein Darmgeschwür kann man kurieren. Bei den chronischen Darmentzündungen Morbus Crohn und Colitis ulcerosa sieht das anders aus. Diese Erkrankungen begleiten die Betroffenen oft über Jahrzehnte.
Darmerkrankungen Symptome
Es gibt eine Reihe von Symptomen, die Anzeichen für eine schwerwiegende Darmerkrankung sein können. Bei einem dieser Alarmsignale ist ein Arztbesuch angeraten:
- Blut im Erbrochenen;
- Blut im Stuhl, sowohl bei hellroter als auch bei dunkelrot-schwärzlicher Farbe;
- starke Gewichtsabnahme innerhalb kurzer Zeit;
- wiederkehrende bohrende oder stechende Schmerzen an der gleichen Stelle;
- aufgetriebener Bauch, wehenartige Schmerzen.
Ein Arztbesuch ist auch notwendig, wenn Beschwerden über mehrere Tage hinweg anhalten und sich trotz Selbstbehandlung nicht bessern.